Ewigkeitssünndag 2010

Über alle Gräber wächst zuletzt das Gras,
Alle Wunden heilt die Zeit, ein Trost ist das,
Wohl der schlechteste, den man dir kann erteilen;
Armes Herz, du willst nicht, dass die Wunden heilen.
Etwas hast du noch, solang es schmerzlich brennt;
Das Verschmerzte nur ist tot und abgetrennt.

Över alle Gräver wasst opletz dat Gras,
All Wunnen heilt de Tiet, een Troost is dat,
Woll de legste, den een kann di todeilen.
Arm Hart, du lettst ja nich dien Wunnen heilen.
Wat hest du noch, so lang de Smarten brennt;
Dat Överwunne is bloots doot un aftrennt.

Friedrich Rückert, 1788-1866
in't Plattdüütsche bröcht vun Rudi Witzke

Wie wenn das Leben wär nichts andres
als das Verbrennen eines Lichts!
Verloren geht kein einzig Teilchen,
jedoch wir selber gehn ins Nichts!

Denn was wir Leib und Seele nennen,
so fest in eins gestaltet kaum,
es löst sich auf in tausend Teilchen
und wimmelt durch den öden Raum.

Es waltet stets dasselbe Leben,
Natur geht ihren ewgen Lauf;
in tausend neu erschaffnen Wesen,
stehn diese tausend Teilchen auf.

Das Wesen aber ist verloren,
das nur durch diesen Bund bestand,
wenn nicht der Zufall die verstaubten
aufs Neue zu einem Sein verband.

Un wenn dat Leven nu nix wieder weer
as dat Verbrennen vun een Licht!
Verloren geiht kein eenzig Deel,
wi aver gåht dorbi sülven in dat Nix.

Denn wat wi Lief un Seel nömen,
so fast in een bildt kuum,
dat lööst sik up in dusend Deile
un wimmelt dörch den öden Ruum.

Dat lööpt af alltiets dat sülve Leven,
Natuur geiht ehren ewgen Loop;
in dusend nie tostann bröchte Wesen
stahn disse dusend Deele up.

Dat Wesen aver is verloren,
dat bloots dörch dissen Bund bestünn,
wenn nich de Tofall de verstövten
up en Nieges to een Sien verbunn.

Theodor Storm, 1817-1888
in't Plattdüütsche bröcht vun Rudi Witzke

Biller vun Caspar David Friedrich
21.11.2010


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