Caspar David Friedrich:
Fru vör ünnergahn Sünn
(Sünnenunnergang,
Sünnenupgang vun de Morgensünn)

vörstellt vun Rudi Witzke

Fru vör ünnergahn Sünn

Dat Bild, mit dat wi uns hüüt befaten willt, hett Caspar David Friedrich 1818 in sien Hochtietsjohr maalt. En nauen Titel kennt wi nich. Dat Bild is meist mit 30x22 cm en lüttes Bild. Dat Bild köönt wi uns in dat Folkwang Museum in Essen anseihn.

Een helles, strahlen Bild hebbt wi vör uns. Caspar David Friedrich belevt as jung Verheiradte de schönste Tiet vun sien Leven. Wi kennt vele anner Biller vun em. Hei begegent uns introverteert, weltschuu, natuurverbunnen un religiöös. Sien Biller warden faken as melanchoolsch utdüüdt. Sien Denken un Föhlen güng üm Sien, Vergahn un Warden.

"Woso, de Fraag is oft mi stellt, wählst du to'n Gegenstand vun dien Malerie so oft den Dood, dat Vergahn un dat Graff? Üm för alle Tieden eiß to leven, mütt een sik oft den Dood ergeven." So de Anter vun Caspar David Friedrich.

He hett goode, aver mehr lege Tieden hat. Un de mehrsten vun uns denkt an de Biller vun Truur un Ensåmkeit, wenn se Friedrich erinnert.

Na sien Verstahn schall de Kunst twüschen de beiden Warke vun Gott, Minsch un Natuur, vermiddeln. So begegent hei de Schöönheit vun de Natuur un versööcht Stimmungen un Föhlen to verarbeiden. Sien Biller sünd keen Afbiller vun de Natuur. Hei bringt up de Lienwand dat Unfaatbore, dat geheimnisvull Empfinden. De Landschaften, de he maalt, warden in ehr Wunner dörch de unendlich schienen Welt ünnerstreken.

De "Fru vör de ünnergahn Sünn" wiest uns ehren Rüüch. De Rüüchfiguren hett Caspar David Friedrich nich erfunnen. Se hebbt Traditschoon, de bit in de Antike trüch geiht.
Disse Rüüchfiguren sünd bi Caspar David Friedrich keen Biwark, se hebbt groot Bedüden. Wenn wi uns nu dat Bild vun de Fru anseihn, ward uns dat fix kloor.

De Fru steiht middig in dat Bild. Se verdeckt den Fluchtpunkt. De liggt meern in de Fru. Up de Wies ward de Bekieker inlaadt, sik in de Figur to versetten. — Dorbi köönt wi sinnig in'n Achterkopp behollen, dat in ole Biller faken de Steden, wo sik Linien krüzen, dat üm warden Leven geiht. Dat seiht wi up dat ole Bild vun de Schöppung vun Eva ut de Ripp vun Adam. Hett dat Krüzen vun de Fluchtlinien in de Midd vun den Lief vun de junge Fru ok so en Bedüden? Denkt Caspar David Friedrich villicht an sien ierstes Kind, dat ünnerwegens sien kunn? Wedder en Radel, de wi vun anner Biller vun Caspar David Friedrich kennt.

Bild mit Fluchtlinien
De Fluchtlinien drapen sik meern in den Lief vun de Fru.
To'n Vergliek: Oles Bibelbild
In de Midd is afbildt, wo Eva to Welt kamen deit.

Digitalbild: So müß de Fru de Sünn sehn
Wat sünd wi lütt in de Strahlen vun de unnergahn Sünn!!

So köönt wi mit Andacht dat Wunner vun den Sünnenünnergang in uns upnehmen. Wi warden mit inrahmt vun de Strahlen, de dörch dat Bild gahn.

Wenn wi nu dat Bild wat länger seihn un uns uns Deil denken, denn warden wi wies, dat de Minsch de Natuur fröömd worrn is. De Weg, up den de Fru kamen is, enndt poor Schreed vör ehr. Up beide Sieden liggt Findlinge. Enn vun Minschenwark, denn fangt de Natuur an. Keen lütt Stieg laadt to't Wiederwannern in, keen Bloom, se sik neger antokieken.

Utsnitt: De Borrn

Wi seiht keen Wisch mit bunte Blaumen un gröön Gras, dat gliekt mehr een dröög-moorig Heid. Woll seih ik de witten Flusen up dat Bild: Kann dat Wullgras sien? En güste Gegen is dat. Bit to de Kimm nix vun Minschen to seihn.

Utsnitt: De Fru

Staatsch steiht de junge Fru mit utbreidt Arm un de Sünn towendte Hannen vör uns. Ehr dunkelgröönes Kleed kontrasteert to de lüchten Natuur. Up de kunstvull Frisuur seihn wi wat, wat as een Kroon lett. Is se för een de Königin?
Se is vun dat Licht anstrahlt, nich dörchglöht vun dat Licht. Mi is, as straakt lumig Avendwind ehr Gesicht. In de Stillnis höör ik Wöör vun ehr: Afscheed? Orrer Dank? Beden? — So kunn dat Bild ok een Henwiesen sien, dat Caspar David Friedrich in de Tiet mit den Pantheismus hanterte. De Pantheismus geiht dorvun ut, dat Gott överall is. De Welt mit allens, de Stiern, de Sünnen, de Eerd mit Land un de See, de Minschen, Deerten un Planten , dat is Gott.

Gegenöver de Schöönheit un dat Uphæven vun de strahlen Sünn schient de Minsch verlaten, de Gott sien Biestand nöödig hett. Un wenn dat de ünnergahn Sünn is, de dat deit, denn is dat Bild villicht en Teiken, dat Caspar David Friedrich hier en Gebeet för sik un sien wassen Familje maalt hett. Denn kunn dat Bild ok "Avendbeden" heiten.
He schreev maal an sien Fru: "Allens is Stillnis, Stillnis üm mi her; alleen un jümmer alleen; dat deit mi woll, aver ik mucht dat nich jümmer so hebben."

Ik will nu de Besöker mit dat Bild "Fru vör unnergahn Sünn", orrer woans dat heit, alleen laten.

Villicht interesseert, wat Caspar David Friedrich sülven to sien Daun seggt. Dorvun hang ik wat an:

"Nix is Nevensaak in en Bild, allens höört to dat Ganze, dörf also nich minnacht warden. Wokeen den Hauptdeil vun sien Bild blots dordörch een Weert to geven weit, dat he annere, ünnerorden Deile in de Behannlung vernålässigt, mit den sien Wark is dat man slecht bestellt."

"Ji nöömt mi Minschenfiend, wieldat ik Gesellschopp sien lååt, ji liggt scheif, ik leev se. Doch dat een de Minschen nich hatten deit, mutt he nich so veel mit jüm ümgahn."

"Ji schimpt un sprekt, de Gegenstand is in de Natuur anners un de Maler hett veel rinseihn, wat gor nich in wirklich is. Ik ehr, wat ji schimpt, denn wat de Maler rinsüht, is jümmer schöön un blifft den Charakter vun den Gegenstand un de Natuur truu."

Fru vör ünnergahn Sünn

Un nu köönt Se noch beleven, wo tollpatschig mien Wöör sünd, wenn ik Caspar David Friedrichs Biller utlegg. De Lyrikerin Ursula Krechel hett dat Leven un Wark vun den romaantschen Maler in een grotes Gedicht "Flacken decken Riemel" beschreven. Nich verfieren un ok nich wegleggen, wenn dat surrealistisch Gedicht bi de eersten Maale Lesen fröömd daherkümmt. Dat ännert sik. Fru Krechel schrifft vorweg:

"Ik heff keen Passepartout, dat een mien Riemels upslöteln kann.
De Togang is nich verrammelt.
Wokeen se lesen will, finndt as de glücklich arbeidsloos Deep
den Slöötel ünner de Matt.
För Klookheiten gifft dat Schachteln
un Mottenkugeln för en plegte Tietloosigkeit… Willkamenheitersch
de Poesie"

Ursula Krechel

"Ich habe kein Passepartout, um meine Gedichte aufzuschlüsseln. Der Zugang ist nicht versperrt. Wer sie lesen will, findet wie der glückliche arbeitslose Dieb den Schlüssel unter der Matte. Für Klugheiten gibt es Schachteln und Mottenkugeln für eine gepflegte Zeitlosigkeit… Empfängerin der Poesie."
Ursula Krechel


Ursula Krechel
Flacken decken Riemel

Eerdleven, as Caspar David Friedrich de Gægen nömt,
as de Gægen twüschen Mullworpshupen verflöög,
to Föten treckte Kimmungen, Biddsteller för't Weder
en Gardien, de melkfarven dat Holt verhangt,
störten Wind. Kiefenwoold, de de Groote See todeckt,
moorig nevelig Evene, hochraadig Wagen steckenbleven
up versandte Straat, wokeen kümmt, kloppen Hart
wokeen kümmt mit kloppen Hart, so weer he anwesen
dat Natuurstudeeren sik sülvst to liernen,
anburn Swoormood, burn in Griepswoold
na'n Heven richt Gestelle mit Windrööd kein Gewees vun makt, burn as Söhn vun en Sepenkoker, Höpen Richt West,
wat binah gliek is, knautscht Papeerkörv
Dosen, braken Buddels, en maalt Schreckensspuur as
"allens in'n Emmer", doch ahn Titel
Komplementärfarv to lichtes Bickbeerengestrüpp.

Akrate Sepiateken, anburn Sweermood,
leger worrn dörch den Doot vun'n Brauder,
lüttfomatig Bild, düster Rüüchansicht
Brauder, de bi't Strietschaulopen em reddte
un sülvst versööp. Afwenndt Smart
vun en Figur in'n Vördergrund, de sik mit Afsicht
rindrängelt (wokeen hett't verlöövt?)
"Sien Leven weer en lang anduren Unglück,"
sää Schoorn in'n Nekroloog un sweeg.
Stahlblaage Heven, Hüüsreigen as Rietverslußzacken
Putbus, Putbus, wokeen harr jemaals, jemaals, je lever, jemineh
nagrååd den Grafen Putbus as en Günner funnen
up'n Kutschbock de lang Allee hendaal, mien Veriehren

Ehr Deiner, versteiht sik vun sülvst, verlorn in'n Nevel,
up't Hööchst minnacht.
Eerdleben in't Lootrechte wucht, düselig in'n Kopp
de Fööt bavenup, plattdüütsch twiestert: Spreizsenkfööt
smarten, doch mielenwiet vun jichenseen Riemel wiet af:
De Sandalenlatscher breekt up to en Reis na Norden
de an'n iesgriesen Eerdrand enndt, afkippt, de Reisenden vermisst
de Brækers vun den Text, en Verklamen in dat Swatte vun de Schrifft.
"In Italien, as vele jümmer wedder seggt hebbt, bün ik nie nich west."
De Trüüchkumst wöör denn so swoor fallen. (Lengen wegtoblieven.)
Woans nömte de Maler de Kimm? Striepenleven, Strichleven
dat Himmelsleven blifft de Swattröck, de ehren Freden funnen.

Fööt in't Wader, dat frorn Nevel is, de Blick
in de Feern kunn utrutschen, Glattiesgefohr vun'n Heven
Patzer mit'n Pinsel, Paletoot un Schauhwark
Gliekgewicht-Stören, hoch baven un na Westen hen dörcheenanner.
Tuusch vun de Dresdner Malerschaul mit de Düsseldorper Schaul
Effektvull Hagelgewidder, Sünnenunnergang mit witten Hingst.
De glücklich Maler makt in de Utstellung en Handstand
draapt en nich so glücklichen Maler mit'n Schauh an'e Stiern.
Düselig. Tschulligug, de Heven rutscht in de Büxentaasch
En groot Slötel sparrt den Büxenstall.
Reis in'n Norden: an dat vörlöpig Enn vun de Welt.

Fohrenslüüd vun eens, de nu an Stöcker gaht
brummelig Lüüd mit flache Mützen un blonde Drööm
in'n Rumpott Kluntje-Bereken, Plumen as Sprengköpp
Slaganfall, keen Verdeinst, Rangelie mit den Wind
Karreert denken Dösch-Gratenkauer, Bræckerschuum in'n Kosakenboort
Wi lütten Lüüd un de Grooten
doch up dat Bild blots Minschenkropptüüg, dat sik nich truut
wat? Also wi lütten Lüüd, plattmakte Flachlänner
in'n Nevel stöckern, Utblicke in dat Eerdleven vun een unbekannt Fruu:
"Fischköpp, de sik in de blänkern Steerten bieten."
Spraakloos Felsen as upstellt Nüstern, Hülp vun wiet af to laat
dat Vördringen vun de kommuun Douglaasficht in dat Loofböömholt
Krætigkeit, Starrköppigkeit, Wegrand as en Hasenschoort
Fründ, leve Fründ, Hasselnööt-Rutenwark.

In't Plattdüütsche bröcht vun Rudi Witzke

Ursula Krechel
Flächendeckendes Gedicht

Erdleben, wie Caspar David Friedrich die Landschaft nannte
wie die Landschaft zwischen Mauwurfshügeln verflog
fußfällig gezogene Horizonte, Bittsteller des Wetters
eine Gardine, die milchig bewegt den Wald verhängt
stürzender Wind, Kiefernwälder, die das Meer verdecken
moorige Ebene, hochrädriger Wagen steckengeblieben
auf versandeter Straße, wer kommt, klopfendes Herz
wer kommt klopfenden Herzens, so war er angewiesen
auf eigenes Naturstudium, angeborene Schwermut geboren in Greifswald
himmelwärts gerichtete Windräderständer kein Wesen machen von, geboren
als Sohn eines Seifensieders, Hoffnungen westwärts
was fast das Gleiche ist, zerbeulte Papierkörbe
Dosen, zerbrochene Flaschen, eine gemalte Schreckensspur wie "alles im Eimer", doch ohne Titel
Komplementärfarbe zu lichtem Preiselbeergesträuch.

Saubere Sepiazeichnungen, angeborene Schwermut
gesteigert durch den Tod des Bruders
kleinformatiges Bild, dunkle Rückenansicht
Bruder, der beim Schlittschuhlaufen ihn rettete
und selbst ertrank. Abgewandter Schmerz
einer vordergründigen Figur, die sich hineingedrängt
(von wem geduldet?) wissentlich. "Sein Leben war
ein langes Unglück", sagt Schorn im Nekrolog und schweigt.
Stahlblauer Himmel, Häuserzeilen wie Reißverschlußzacken
Putbus, Putbus, wer hätte je, je länger, je lieber, jemineh
endlich im Grafen Putbus einen Gönner gefunden
auf dem Kutschbock die lange Allee entlang, meine Verehrung

Ihr Diener selbstredend, verloren im Nebel, aufs Höchste erniedrigt.
Erdleben in die Senkrechte gewuchtet, schwindlig der Kopf
die Füße obenauf, plattdeutsch geflüstert: Spreizsenkfüße
schmerzend, doch meilenweit von jedem Gedicht entfernt:
Sandalenträger brechen auf zu einer Reise in den Norden
die am eisgrauen Erdrand endet, abkippt, die Reisenden vermißt
Brandung des Textes, ein Erstarren in der Schwärze der Schrift.
"In Italien, wie oft behauptet wurde, bin ich nie gewesen."
Die Heimkehr fiele danach so schwer. (Sehnsucht wegzubleiben.)
Wie nannte der Maler den Horizont? Streifenleben, Strichleben
das Himmelsleben bleibt den befriedeten Theologen.

Füße im Wasser, das gefrorener Nebel ist, der Blick
in die Weite könnte ausrutschen, Glättegefahr des Himmels
Patzer mit dem Pinsel, Paletot und Schuhwerk
Gleichgewichtsstörungen, hoch oben und nach Westen verwirrt.
Ersetzung der Dresdner Malerei durch die Düsseldorfer Schule
effektvolle Hagelgewitter, Sonnenuntergang mit weißem Hengst.
Der glückliche Maler macht in der Ausstellung einen Handstand
trifft einen weniger glücklichen Maler mit dem Schuh an der Stirn.
Schwindel. VerzeihnSe. Der Himmel rutscht in die Hosentasche
ein großer Schlüssel sperrt den Hosenstall.
Reise in den Norden: an das vorläufige Ende der Welt.

Seebären von einst, die jetzt an Stöcken gehen
brummelige Leute mit flachen Mützen und blonden Träumen
im Rumtopf Kandiszuckerkalkül, Pflaumen wie Sprengköpfe
Schlaganfall, Verdienstausfall, Schlagabtausch mit dem Wind
kariert denkende Kabeljaugrätenkauer, Gischt im Kosakenbart. Wir kleinen Leute und die GROSSEN
doch auf dem Bild nur Menschenkroppzeug, das nicht wagt
was? Also wir kleinen Leute, plattgemachte Flachländer
im Nebel stochernd, Ausblicke ins Erdleben einer anonymen Frau:
"Fischköppe, die sich in die schillernden Schwänze beißen."
Sprachlose Felsen wie aufgestellte Nüstern, Hilfe von fern zu spät
das Vordringen der gemeinen Douglasfichte in den Laubwald
Heftigkeit, Halsstarrigkeit, Wegrand wie eine Hasenscharte
Freund, Freundchen, Haselnußrutenwerk.

(ut: Ursula Krechel: Gedichte, in: ZdZ Heft 5)



trüch


na baven


na't Flack

na de Startsiet